Die Rückkehr des Starliner-Raumschiffs zur Erde wird um vier Tage verschoben. NASA und Boeing nutzen die zusätzliche Zeit an der ISS für weitere Tests und Untersuchungen. Die Crew führt wichtige Prüfungen durch, um das neue Raumschiff besser zu verstehen.
Verlängerter Aufenthalt: Starliner-Raumschiff bleibt länger an der ISS
Die NASA und Boeing haben beschlossen, den Aufenthalt des Starliner-Raumschiffs an der ISS zu verlängern. Ursprünglich war die Rückkehr für den 18. Juni geplant, nun soll das Abdocken frühestens am 22. Juni erfolgen. Diese Entscheidung ermöglicht es den Astronauten an Bord, zusätzliche Tests und Untersuchungen durchzuführen, um wichtige Erkenntnisse über das neue Raumschiff zu gewinnen.
Der Starliner, Boeings Antwort auf SpaceX’s Crew Dragon, befindet sich derzeit auf seiner ersten bemannten Testmission zur ISS. Die Verlängerung des Aufenthalts bietet eine einzigartige Gelegenheit, das Raumschiff unter realen Bedingungen gründlich zu erproben und wertvolle Daten für zukünftige Missionen zu sammeln.
Gründe für die Missionsverlängerung und geplante Aktivitäten
Die Entscheidung, den Starliner länger an der ISS zu belassen, wurde aus mehreren Gründen getroffen. Ein NASA-Sprecher erklärte gegenüber Spaceflight Now: „Die Crew kann mit der zusätzlichen Zeit im Orbit detailliertere Tests verschiedener Aspekte der Raumschiff-Hardware durchführen. Dies ist eine wichtige Gelegenheit, da das Raumschiff neu ist und zum ersten Mal eine Besatzung an Bord hat, die diese Tests im Orbit durchführen kann.“
Während des verlängerten Aufenthalts werden die NASA-Astronauten Butch Wilmore und Suni Williams, die den Starliner am 6. Juni (17:06 Uhr MESZ) an die ISS andockten, eine Reihe zusätzlicher Aktivitäten durchführen:
- Wiederholung einiger bereits durchgeführter Testaktivitäten, wie das „Safe Haven“-Protokoll
- Zusätzliche Tests an den Luken des Raumschiffs, um deren Handhabung besser zu verstehen
- Bewertung der Steuerungsmöglichkeiten durch das vordere Fenster des Starliner
- Untersuchung der Fähigkeiten des Starliner im Hinblick auf zukünftige sechsmonatige Missionen an der ISS
Diese zusätzlichen Tests und Übungen werden dazu beitragen, das Verständnis für die Leistungsfähigkeit und Eigenschaften des Starliner zu vertiefen und wertvolle Erkenntnisse für zukünftige Crews zu gewinnen.
Technische Herausforderungen und geplante Untersuchungen
Während der bisherigen Mission hat der Starliner einige technische Anomalien erlebt, die nun genauer untersucht werden sollen. Insgesamt wurden fünf Heliumlecks identifiziert, beginnend mit einem, das nach dem Startabbruch am 6. Mai festgestellt wurde. Zusätzlich untersuchen die Bodenteams ein Oxidator-Isolationsventil des Reaktionskontrollsystems (RCS) im Servicemodul des Starliner, das nicht ordnungsgemäß geschlossen ist.
Während des Annäherungsprozesses an die ISS traten zudem Probleme mit einigen Triebwerken auf. Steve Stich, Manager des kommerziellen Crew-Programms der NASA, erläuterte: „Diese Triebwerke ähneln denen, die wir bei OFT-2 gesehen haben. Wir verstehen noch nicht ganz, warum sie auftreten. Wir haben einige Maßnahmen in der Software ergriffen, um potenzielle Ausfälle durch den GNC-Teil der Software zu reduzieren.“
Um diese Probleme genauer zu untersuchen, planen die Flugkontrolleure, sieben der acht nach hinten gerichteten Triebwerke während des Andockens an der Station zu zünden. Dieser „Hot Fire“-Test soll aus zwei Brennvorgängen bestehen, die jeweils etwa eine Sekunde dauern. Die Ergebnisse dieser Tests werden für die weitere Leistungsbeurteilung der Triebwerke während des restlichen Missionsverlaufs von großer Bedeutung sein.
Bedeutung für das kommerzielle Crew-Programm der NASA
Die Verlängerung der Starliner-Mission und die zusätzlichen Tests sind von großer Bedeutung für das kommerzielle Crew-Programm der NASA. Dieses Programm zielt darauf ab, den Zugang zum Weltraum für die Vereinigten Staaten zu diversifizieren und die Abhängigkeit von russischen Sojus-Kapseln zu verringern.
Mark Nappi, Boeings Vizepräsident und Programmmanager für die kommerzielle Crew-Abteilung, betonte die Wichtigkeit dieser verlängerten Testphase: „Wir haben eine unglaubliche Gelegenheit, mehr Zeit auf der Station zu verbringen und mehr Tests durchzuführen, was einzigartige Daten liefert, die für unsere Position von unschätzbarem Wert sind. Wie die integrierten Teams von NASA und Boeing bei jedem Schritt gesagt haben, haben wir viel Spielraum und Zeit auf der Station, um die Möglichkeiten für alle Partner zum Lernen zu maximieren – einschließlich unserer Crew.“
Die gewonnenen Erkenntnisse werden nicht nur für Boeing und die NASA von großem Wert sein, sondern auch für die gesamte Raumfahrtindustrie. Sie können dazu beitragen, zukünftige Raumschiffe sicherer und effizienter zu gestalten und die Grenzen der bemannten Raumfahrt weiter zu verschieben.
Ausblick auf die Rückkehr und zukünftige Missionen
Obwohl das genaue Datum für die Rückkehr des Starliner noch nicht feststeht, bereiten sich NASA und Boeing intensiv auf diesen wichtigen Meilenstein vor. Die primären und sekundären Landezonen im Südwesten der Vereinigten Staaten werden derzeit noch evaluiert.
Am 18. Juni (18:00 Uhr MESZ) werden die Leiter der NASA- und Boeing-Teams in einer Pressekonferenz weitere Details zum Fortschritt des Testflugs bekannt geben. Diese Informationen werden nicht nur für den aktuellen Missionsverlauf von Bedeutung sein, sondern auch für die Planung zukünftiger Starliner-Missionen.
Die erfolgreiche Durchführung dieser erweiterten Testphase und die anschließende sichere Rückkehr des Starliner zur Erde werden entscheidende Schritte auf dem Weg zur Zertifizierung des Raumschiffs für reguläre Crew-Rotationsmissionen zur ISS sein. Dies wird nicht nur die Flexibilität und Redundanz im Transportportfolio der NASA erhöhen, sondern auch den Wettbewerb im kommerziellen Raumfahrtsektor weiter anregen.
Die Erkenntnisse aus dieser Mission werden zweifellos einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der bemannten Raumfahrt leisten und könnten sogar Auswirkungen auf zukünftige Mondmissionen im Rahmen des Artemis-Programms der NASA haben. Die Raumfahrtgemeinschaft blickt daher mit großer Spannung auf die kommenden Tage und Wochen, in denen der Starliner seine Fähigkeiten unter Beweis stellen und den Weg für eine neue Ära der kommerziellen Raumfahrt ebnen wird.